Die Londoner Indie-Folk Formation Bear’s Den erfand sich diesen Sommer neu – Auf ihrer UK- und Europa Tour machten sie letzten Freitag Halt im X-TRA.

Man kann sagen was man will: Indie-Folk war das gestern nicht mehr, was Bear’s Den da im XTRA präsentiert haben. Obwohl ich vorgewarnt war – der Abend war eine Enttäuschung. Nicht dass ich etwas gegen elektronische Musik habe, im Gegenteil. Ich höre selbst gerne von Zeit zu Zeit metaphysische Klänge, Synthesizer und Dreampop.

Weshalb aber so viele bewährte Formationen das Gefühl haben, sie müssten auf den Elektrozug aufspringen, nur weil’s gerade „in“ ist, ist mir nach wie vor schleierhaft. Nachdem mich Mumford and Sons mit ihrem dritten Album Wilder Mind bereits enttäuschten und ich sie wieder aus meiner Musiksammlung schmiss, schöpfte ich neue Hoffnung, als ich Bear’s den mit Agape hörte.

Wohl ein bisschen zu euphorisch verfolgte ich die Band mit dem Banjo und sagte breitwillig zu, das Konzert zu besuchen und dann Bericht zu geben. Leider wusste ich zum Zeitpunkt meiner Zusage noch nicht, dass sich die Indie-Formation Anfang Jahr von ihrem Banjo Spieler Joey Haynes getrennt hat und diesen Sommer ein neues Album, Red Earth & Pouring Rain herausgebracht hat.

Pflichtbewusst wie ich bin, klickte ich mich durchs neue Album auf YouTube – ich will ja schliesslich die Songs kennen, bevor ich sie live höre. Irgendetwas passte da aber einfach nicht zusammen. Die Songs klangen gar nicht mehr nach den Bear’s Den, die ich nur kurz zuvor total feierte und als Link einer Freundin schickte (die kannte sie übrigens bereits von einem Konzert im Mascotte).

Lange Rede, kurzer Sinn: Eher widerwillig besuchte ich das Konzert im X-TRA, mit der Befürchtung, nicht die Bear’s Den anzutreffen, in die ich mich im Sommer verliebt habe. Aber auch immer noch mit der Bereitschaft, mich positiv überraschen zu lassen – die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

1×2 Banjos als Entschädigung

Leider schafften es die Jungs aus London aber tatsächlich nicht, das Ruder rumzureissen und zu zeigen, dass noch ein bisschen Folk und Indie in ihnen steckt. Die Show war unaufgeregt, die Band vermochte das Publikum nicht zu packen, der Funke nicht springen. Spannend wurde es nur kurz; als die Band ankündigte, ein Song ohne Mikrofon und Verstärker spielen zu wollen– dafür mit sogar gleich 2 Banjos (!). (Müssen wir jetzt dafür dankbar sein? Früher war das doch immer im Repertoire mit dabei).

Eine akustische Version von Sophie, herzerwärmend und emotional. Sogar ich wurde für einen Moment weich und machte ein paar Schritte näher zur Bühne, obwohl ich mich zuvor skeptisch im Hintergrund hielt. Der Saal war still, lauschte gebannt, gegen Ende des Songs konnte man vereinzelte Stimmen hören, die mitsangen, mitsummten. Schwankende Pärchen, sich liebevoll über den Rücken streichelnd, manchmal küssend, waren wohl auch froh, dass die kühlen Elektronikelemente einmal für romantische Stimmung auf die Seite wich.

Pouring Rain statt Tears

Ich war damals nicht dabei, am legendären Konzert im Mascotte. Doch mir reichen die Akustik-Aufnahmen des Islands Album, z.B. Her Tears Live At Vondelkerk, um zu merken, wie wenig diese Bear’s Den vom Freitag noch mit den damaligen gemeinsam haben. Schade. Versteht mich nicht falsch. Das Konzert war nicht schlecht. Die Klänge waren toll abgemischt, der Sänger traf jeden Ton, die Freude der Band war echt. Trotzdem.

Baptiste hat es bereits in der Vorschau auf den Punkt gebracht, widersprechen kann ich ihm leider nach letztem Freitag nicht: „Auch Mumford & Sons schlugen mit ihrem letzten Album einen neuen Weg ein und verbannten das Banjo und die Mandoline in den Hintergrund. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen diesen beiden britischen Bands: Die Musik tönt nämlich wieder ähnlich; poppig, leicht elektronisch, (langweilig).“

Der Bär ist nicht mehr los
7.6Gesamtpunktzahl
Band Auftritt7
Sound Qualität9
Atmosphäre6
Publikum6
Organisation10